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Winter im hohen Norden

Nach 54 Tagen Urlaub, die nach deinem letzten Einsatz auch bitter nötig waren, bist du nun wieder zurück an Bord. Wenn es nach dir gegangen wäre, hätte deine Auszeit ruhig noch etwas länger dauern können. Denn gerade wieder Zuhause eingewöhnt, Zeit mit deinen Lieben verbracht und neue Freunde dazu gewonnen, heißt es wieder Koffer packen und los.

 

Aber schließlich geht es wieder nach Norwegen und endlich hast du den Winter, den du im indischen Ozean verpasst hast. Es erwarten dich Schnee, Eis und Kälte in dem Land, dass dir von allen bisher Bereisten am besten gefallen hat. (Ja, auch noch mehr als die Seychellen…)

 

Auf den ersten beiden Touren soll es sogar hoch bis über den Polarkreis, bis zum Nordkap gehen, was leider nur einmal gelingt. 

Das Wetter in Norwegen ist bekanntlich tückisch und daher ist der vorerst nördlichste Hafen, den du anlaufen konntest, Alta. Dort geht es zu einem, außerhalb der Stadt gelegenen Camp namens Pæskatun, um Polarlichter zu sehen. Wenn denn welche da sind...

Die Prognosen dazu schienen bisher jedenfalls nicht ganz so gut und es geht dir auch ordentlich die Muffe, denn schließlich fahren fast dreihundert Gäste mit auf diese Tour. Zum Glück begleitest du die spätere Abfahrt, denn als du um 23 Uhr am Camp ankommst, steht die erste Gruppe schon, missmutig auf die Rückfahrt wartend, bereit. Sie hatten leider kein Glück. Auch du schlenderst erstmal durch die Anlage, holst dir in einem nachgestellten Sami-Zelt einen Tee und wärmst dich am Lagerfeuer. Draußen sind es immerhin etwa -6 Grad und der Aufenthalt hier für zwei Stunden angesetzt. Doch dann ruft plötzlich jemand: Polarlichter!


Wie die Ameisen wuseln die Gäste ins Freie. Du auch! Ein absolut magischer Moment, wenn die grünlichen Wolkenschwaden über die angrenzende Felsformation gleiten. Du kannst es kaum fassen und bist zu Tränen gerührt. Erst mal Mama anrufen! Überall werden Handys und Kameras gezückt, um das Spektakel festzuhalten. Leider bist du nur im Besitz eines asbach-uralten Telefons und so zeigt deine Kamera lediglich einen schwarzen Bildschirm. Naja, dann also alles im Gedächtnis einfangen. Zu deinem Glück gibt es in dem Camp einen professionellen Fotografen, der dich und die Polarlichter dann doch noch gekonnt in Szene setzen kann. Ziel erreicht, Andenken bekommen!

Zu deinem Leidwesen hast du beim Packen nicht daran gedacht, dass es ja auch gefütterte Schuhe gibt, und so spürst du am Ende der Tour kaum noch deine Zehen. Aber es war dennoch ein voller Erfolg.

 

Auf der folgenden Reise in den hohen Norden zeigen sich dann die Nordlichter fast jede Nacht von ihrer strahlend schönen Seite. Wobei dazu zu sagen gilt, dass sie mit bloßem Auge tatsächlich anders aussehen als auf den Fotos. Eine Kamera hat nun mal eine längere Belichtungszeit als das menschliche Auge.

 

Ein weiterer Hafen der Reise war Tromsø. Auch diese beschauliche Stadt hat es dir angetan. In der Innenstadt kannst du dann auch dein Versäumnis der mangelhaften Fußbekleidung nachholen, denn dort gibt es Einlegesohlen aus Schafsfell und eine riesige Auswahl an dicken Wollsocken zu kaufen. Gut eingedeckt mit 2 Paar Socken, zwei Paar Handschuhe und den neuen Sohlen fühlst du dich nun deutlich besser präpariert und bist um ein halbes Vermögen ärmer. Trotzdem hast du dir noch dicke Winterstiefel mit ordentlichem Innenfutter bestellt, die dir deine Familie bei ihrem Besuch an Bord mitbringt. Jetzt bist du bestens gerüstet für jegliches Winterwetter.

 

Hier noch ein Fun Fact, der dich in Tromsø absolut begeistert hat: Wo normalerweise in Norwegen nicht geräumt oder gestreut wird, kann es spiegelglatt auf den Straßen und Gehwegen werden. Die Stadt Tromsø hat sich da etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Hier sind die Gehwege nämlich beheizt! Dazu wurden unterirdische Rohre verlegt, durch die heißes Wasser geleitet wird, welches durch die Müllverbrennung erhitzt wird. Eine absolute Win-Win-Situation, denn so muss man vor allem in der Fußgängerzone nicht fürchten, auf dem Hosenboden zu landen. Trotzdem Vorsicht auf den Straßen, denn diese sind in dieses System nicht eingeschlossen.

 

Die einzigartige Nordlichtkathedrale in Tromsø ist ebenfalls ein Touristenmagnet. Und das absolut zurecht. Diese außergewöhnliche Kirche wurde so konzipiert, dass so viel Licht ins Innere gelangen zu lassen wie möglich. Dadurch wurde die Gemeinde vor allem in den Sommermonaten allerdings so geblendet, dass ein Künstler beauftragt wurde, Abhilfe zu schaffen. Victor Sparre verschönerte daraufhin die Ostseite mit einem eindrucksvollen Glasmosaik. Die besondere Form der Kirche lässt sie auch von weitem aus der Kulisse herausstechen und vor allem, beleuchtet im Dunkeln ist sie ein strahlender Fixpunkt. Am Abend des Ostersonntags erlebst du dort ein Orgelkonzert, was dir nachhaltig in Erinnerung bleiben wird. Der angenehm weiche Klang lässt dich kurzzeitig völlig zur Ruhe kommen.



 

Tromsø ist zudem Ausgangspunkt für einige besondere Ausflüge. So machst du dich zum Beispiel auf den Weg zu einer Schneemobil-Tour, auf der du leider nur hinten beim Guide mitfährst. So hast du dann immerhin Gelegenheit, die endlose Schneelandschaft zu genießen und Fotos zu machen.

Außerdem triffst du zum ersten Mal auf norwegische Huskies. Prompt schließt du mit diesen überaus schmusebedürftigen Tieren Freundschaft und fährst anschließend glücklich und nach Hund riechend wieder zurück zum Schiff.


Auch der nächste Ausflug in Tromsø steht ganz im Sinne des Hundes, denn es du darfst mit zur Husky-Schlittenfahrt. Im Camp leben um die 100 Tiere jeglichen Alters und Farbe. Denn im Gegensatz zu dem weithin bekannten Klischee, dass alle Huskys schwarz-weiß sind, sind diese Tiere hier ziemlich bunt. Und laut! Das Gejaule und Gebell bevor es endlich mit dem Schlittenfahren losgeht, ist ohrenbetäubend. Jeweils um die 9-10 Hunde ziehen einen Schlitten, auf dem bis zu vier Menschen Platz finden. Die Aufregung, die in der Luft liegt, ist kaum auszuhalten. Endlich startet ein Schlitten nach dem anderen und schlagartig ist Ruhe. Still gleitet der Schlitten über den Schnee und die Hunde leisten konzentriert ihre Arbeit. Bis zu einem bestimmten Moment, denn Schlittenhunde machen während der Fahrt quasi alles, was „normale“ Hunde bei ihrer Gassirunde auch tun. Da wird dann also im Lauf mal „das Bein gehoben“, woraufhin der folgende Rüde dann auch gleich das Revier inspiziert und ebenfalls den Schnee gelb färbt. Also bloß den Mund geschlossen halten! Auch Haufen werden während der Fahrt gelegt und vom nächsten Schlitten dann direkt überfahren. Zum Glück verfliegt der Kot-Geruch schnell und du hoffst einfach, dass nichts davon an dir kleben bleibt. Nach einer halben Stunde durch das Winterwunderland ist die Fahrt dann vorbei und du steigst völlig durchgefroren als kleine Eiskugel vom Schlitten ab. Auch diese Tour war ein voller Erfolg!


 

Auf der zweiten Runde in den hohen Norden spielt das Wetter doch endlich mit und dem Besuch am Nordkap steht nichts im Weg. Zusammen mit zirka 1.800 Gästen (immerhin über den gesamten Tag verteilt) machst du dich auf den Weg zum nördlichsten Ort Europas. Hier herrscht eine besondere Atmosphäre und die Menschen strömen in Scharen zur dort stehenden Erdkugel aus Metall.



„Schön hier, aber waren Sie mal in Baden-Württemberg?“ – Natürlich darf dieser bekannte Sticker hier auch nicht fehlen. Etwas deplatziert klebt er da an der Nordkap-Kugel. Trotzdem stehen die Menschen Schlange für ihr Foto an diesem Monument. Dir gelingt es sogar ein Foto zu ergattern, auf dem du ohne Menschen neben der Kugel stehst. Auch die Nordkap-Hallen sind interessant gestaltet und erzählen die Geschichte der Touristen hier von vor über hundert Jahren. Außerdem zeigt ein 180° Film das Nordkap zu den verschiedenen Jahreszeiten. Du nimmst dir fest vor, dass du hier nicht zum letzten Mal hergekommen bist.

 



Auch nach Trondheim kommst du leider nur einmal und hast viel zu wenig Zeit, dir die Stadt anzuschauen. Trotzdem nutzt du die Zeit für einen Spaziergang bei strahlendem Sonnenschein. Von wegen Winter – zum ersten Mal bist du zu dick angezogen. Du lässt dich einfach treiben ohne festes Ziel und landest trotzdem bei den berühmten bunten Holzhäusern.



Der Charme dieser Stadt fasziniert dich sofort. Eine gelungene Symbiose aus Alt und Modern. Die Menschen, die dir dort begegnen, umgibt etwas Besonderes. Vor allem ihren Kleidungsstil, eine Mischung aus schick und shabby, gefällt dir. Sie sehen alle irgendwie gut aus, so adrett und trotzdem alternativ. Vielleicht liegts wirklich am Wetter, aber Trondheim hättest du gern genauer kennengelernt.

 

Jetzt bist du schon seit vier Wochen auf dem Schiff und dein Gefühl, dass dies hier vermutlich wirklich dein letzter Einsatz auf einem Hochseekreuzfahrtschiff sein wird, verfestigt sich. Du stößt an die Grenzen des Machbaren, hinterfragst Abläufe immer mehr und suchst nach deiner Motivation. Der Drang dich mal wieder zu verändern ist fast allgegenwärtig.

 

Norwegen hat es dir nach wie vor sehr angetan und du hast auch schon vor deinem Aufstieg aufs Schiff darüber nachgedacht, einfach mal dort als Guide zu arbeiten. Während der Ausflüge schweifen deine Gedanken immer wieder zu dieser Idee zurück und du beginnst, Pläne zu schmieden. Noch ein Jahr Geld zurücklegen, dann hierherkommen und als Reiseleiterin arbeiten – das wär’s. Du sprichst bereits mit den Guides vor Ort, die dir Tipps geben und dir auf jeden Fall Mut machen. Du musst dich nur noch entscheiden, wo du genau hinwillst. Und dich trauen…

 

Aber nun heißt es erstmal wieder Füße stillhalten, das Gegebene erleben und nicht zu viel in der Zukunft verweilen. Es kommt ja bekanntlich eh immer so, wie es soll!

 

Die nächsten Routen führen dich jedenfalls nach Island und Schottland. Zwei Länder, die du noch nicht kennst. Also warten hier noch einige spannende Momente, Menschen und Orte auf dich!

Und nach Norwegen kommst du eh immer wieder zurück.. ♥

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